Daimler Truck

Auf Herz und Nieren getestet: So prüfen wir die Sicherheitsassistenzsysteme

05.12.2023 | Marken & Produkte

Ob Notbremsungen am Stauende, mehr Sicherheit beim Rechtsabbiegen und beim Spurwechsel, Reduktion der Schleudergefahr bei Kurvenfahrten oder Ausweichmanövern: Mit Sicherheitsassistenzsystemen können Berufskraftfahrer zahlreiche mitunter brenzlige Situationen im Straßenverkehr besser meistern. In diesem Punkt ist Daimler Truck seit jeher ein Pionier der Branche.

Unsere Entwicklungs- und Versuchsingenieure arbeiten seit Jahrzehnten daran, die Fahrer mit entsprechenden Features so gut wie möglich bei ihrer Arbeit zu unterstützen und damit die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer weiter zu erhöhen.
Klar ist: Bevor Assistenzsysteme in Serie gehen können, müssen sie ausgiebig getestet werden. Derartige Tests erfolgen das ganze Jahr über insbesondere im Entwicklungs- und Versuchszentrum (EVZ) in Wörth sowie in Finnland, Spanien und Japan oder auf unserer Teststrecke in Madras, Oregon. Weltweit sind das ganze Jahr über bis zu 60 Fahrzeuge in der Dauererprobung. Dabei belaufen sich die gefahrenen Kilometer zur Absicherung der Systeme von 2020 bis Ende 2023 auf rund fünf Millionen.

Stephan Reichle, Teamleiter Erprobung & Applikation Fahrerassistenzsysteme, und seine Mitarbeiter Timo Wolf, Marc Weiss und Marcus Grejner geben im Interview Einblicke in ihre Arbeit.
Wer seid ihr und was sind eure Aufgaben genau?


Stephan Reichle: Ich bin Teamleiter in Wörth und verantwortlich für die Themen Systemapplikation und Validierung von unseren Fahrerassistenzsystemen. Im Bereich Truck Technology sind wir als globale Software-Entwicklung für alle Konzernmarken verantwortlich, also nicht nur Mercedes-Benz Trucks, sondern auch für Freightliner, FUSO und Daimler Buses. Vereinfacht kann man sagen, wir entwickeln ein Plattformsystem, das in alle unsere Fahrzeuge unabhängig von der Fahrzeugmarke eingebaut wird. Wir arbeiten alle nach dem Motto „All brands are my brands“.
Neben meinem Team unterstützen uns die werkstattnahen Bereiche sowie externe Dienstleister bei der Durchführung unserer Tests, beispielweise zur Absicherung des Umfelds auf öffentlichen Straßen.


Marcus Grejner: Ich bin im Team von Stephan Reichle und dort verantwortlich für das Testen und die Validierung des Active Sideguard Assist für Mercedes-Benz Actros und Arocs. Wir führen anwendungsfallbasierte Tests durch, werten sie aus und leiten anhand der Ergebnisse Optimierungsmöglichkeiten ab.


Timo Wolf: Im Team kümmere ich mich um die Applikationen des Long Range Radars des Active Brake Assist und Active Cruise Control. Ähnlich wie bei Marcus besteht meine Aufgabe aus anwendungsfallbasierten Tests auf der Teststrecke, vor allem in Bezug auf den Long Range Radar und den Active Brake Assist. Active Cruise Control testen wir auch auf der Teststrecke, hauptsächlich jedoch auf öffentlichen Straßen.


Marc Weiss: Ich bin in Stephans Team zuständig für das reproduzierbare Testen und Absichern von aktiven Fahrerassistenzfunktionen. Konkret bedeutet dies, dass wir beispielsweise mit Hilfe von GPS gesteuerten fahrbaren Dummies, szenarienbasierte Fahr-Prodzeduren entwickeln. So können wir unsere Funktionen systematisch und reproduzierbar abtesten.
Auch gehört die technologische Weiterentwicklung der Prüfmittel in Zusammenarbeit mit Herstellern zu meinem Zuständigkeitsbereich.

Wie wir auf den Bildern sehen, werden für Radfahrer, Motoradfahrer und Fußgänger aus Sicherheitsgründen Dummies verwendet. Wie sieht es bei den Fahrzeugen aus, auf die ihr Bremsmanöver fahrt?


Marc: Wir nutzen sowohl Dummies als auch echte Fahrzeuge. Bei kritischen Manövern können wir keine echten Fahrzeuge verwenden, um die Sicherheit der Fahrerinnen und Fahrer nicht zu gefährden – außerdem wäre es viel zu teuer im Falle eines Crashs. In diesem Fall nutzen wir sogenannte Balloon oder Puzzel Cars. Aber wenn die Testsituation es zulässt, verwenden wir auch echte Fahrzeuge.

Wo testet ihr vorwiegend? 
 

Marcus: Wir nutzen in Wörth die Einfahrbahn im EVZ oder führen die Tests auch teilweise auf anderen, externen Prüfgeländen durch, wenn wir mehr Platz oder andere Rahmenbedingungen benötigen.

Stephan: Im Winter sind wir oft auf Teststrecken in Spanien unterwegs, da das Wetter dort stabiler als in Deutschland ist und wir dadurch reproduzierbar prüfen können. Dies bedeutet, dass wir die Tests immer wieder wiederholen können und so bei eventuellen Fehlern nachweisen können, dass diese nicht durch den Testaufbau entstehen, sondern im Systemverhalten liegen. Auf Basis der Ergebnisse kann das Assistenzsystem dann optimiert werden, um in Zukunft in den Fahrzeugen der Kundinnen und Kunden möglichst performant und fehlerfrei zu laufen.
 

Warum testet ihr auch auf öffentlichen Straßen?
 

Stephan: Die Sensoren der Fahrerassistenzsysteme leben von der Wechselwirkung mit der realen Umgebung. Deshalb fangen wir auf öffentlichen Straßen zahlreiche Situationen ein, die uns eine Bewertung unserer Systeme ermöglichen. Reagiert das System korrekt? Reagiert es nicht zu früh? Oder hat das System etwas erkannt und kurzzeitig ausgelöst, obwohl eine Warnung oder Bremsung nicht nötig gewesen wäre - Dies nennen wir dann „false positive“.
Auf Teststrecken hingegen stressen wir die Systeme regelrecht in den physikalischen Grenzbereich hinein und darüber hinaus, um die Systeme so sicher und perfomant wie möglich zu machen. Hier prüfen wir die Leistungsfähigkeit der Systeme. Hat das System ein Hindernis nicht oder nicht rechtzeitig erkannt – sprechen wir dann von „false negative“

Timo: Selbstverständlich lassen wir unsere Fahrzeuge im realen Verkehr niemals in eine gefährliche Situation fahren. Ein Test auf einen echten Fußgänger oder Fußgängerin, wie wir es mit unseren Dummies testen, wird auf öffentlichen Straßen niemals gemacht.
 

Was sind die Herausforderungen Eurer Arbeit?
 

Stephan: Eine große Herausforderung sind die Entwicklungszyklen und -zeiten. Im Bereich Fahrerassistenzsysteme kommen in regelmäßigen Abständen neue Funktionen – das sind sehr enge Terminpläne, um alles vollständig umzusetzen.
Wir alle im Team tragen die Vision vom unfallfreien Fahren in uns, die wir trotz aller Herausforderung umsetzen wollen!

Was mögt ihr besonders an Eurem Job?
 

Marcus: Die Kollegialität und der Zusammenhalt im Team sowie die gute Zusammenarbeit mit anderen Kolleginnen und Kollegen, die uns beispielsweise aus der Werkstatt unterstützen.

Marc: Unser sehr abwechslungsreiches Aufgabengebiet ist für mich das Highlight.

Timo: Man sitzt in unserem Job nicht nur im Büro, sondern wir gehen immer wieder raus auf die Strecke, wir erleben die Assistenzsysteme live und können den Fortschritt beobachten, den die Systeme bis zur Serienreife machen.

Stephan: Für mich ist das Highlight an meinem Job, dass ich jeden Tag einen Beitrag leisten kann, das Ziel des unfallfreien Fahrens zu erreichen. Da wir immer die neuesten Sicherheitssysteme in unseren Serien-Trucks haben, ist unser Anspruch sicherzustellen, dass diese in all unseren Fahrzeugen am besten funktionieren.
Das Schöne an unseren Aufgaben ist auch, dass wir in einen globalen Entwicklungsverbund eingebunden sind und dadurch international mit allen Kolleginnen und Kollegen der Daimler Truck Entwicklung weltweit zusammenarbeiten. So sind wir immer wieder auch auf Erprobungen in den USA, in Portland und Madras, sowie die Kollegen von Daimler Truck North America oft bei uns auf Erprobung in Europa. Das hilft uns die fahrzeugspezifischen Gegebenheiten früh zu erkennen und in der System-Entwicklung mit zu berücksichtigen.

 

Detaillierte Informationen zur Testung der Sicherheitsassistenzsysteme finden Sie in der zugehörigen Pressemitteilung.
Einen Überblick über die in Serie verbauten Sicherheits- und Assistenzsysteme in Mercedes-Benz Lkw finden Sie hier: Aktive Sicherheit - Lkw | Daimler Truck