Daimler Truck

Aus einer Idee wird Realität: Warum Autonomes Fahren die Transportbranche voranbringen wird

11.12.2023 | Autonomes Fahren

Unser Ziel: Bis 2027 autonome Lkw auf den US-Markt zu bringen. Im Blogbeitrag spricht Joanna Buttler, Leiterin der Global Autonomous Technology Group, dem Autonomen Fahren das größte Transformations- und Chancenpotenzial der Transportbranche zu. Und beschreibt zudem, warum aus Fiktion bald Realität wird.

Kommen Sie mit mir auf eine Reise. Sie müssen nicht packen. Sie benötigen nur ein wenig Vorstellungskraft.

Stellen Sie sich eine Zukunft vor, in der eine Lkw-Fahrerin jeden Abend mit ihrer Familie am Esstisch sitzt. Sie sprechen über das Baseballspiel ihres Sohnes am kommenden Wochenende. Und wie besonders es ist, dass sie alle Zeit zusammen verbringen können. Da hören sie in den Nachrichten von einer Familie aus dem gleichen Ort, die einem wahrscheinlich tödlichen Verkehrsunfall entgangen ist. In diesem Moment klingelt es an der Tür. Freudig springt der kleine Junge vom Tisch auf. Lachend vor Glück ruft er: „Mein neuer Baseballschläger ist rechtzeitig vor dem großen Spiel da.“ Stellen Sie sich vor, ein sicherer, zuverlässiger, nachhaltiger und für alle gleichberechtigter Warentransport wäre Realität. 

Diese Vision wird zum Teil durch autonomes Lkw-Fahren möglich. Der Baseballschläger des Kindes wurde von einem softwaregesteuerten Lkw über hunderte von Meilen ohne Fahrer am Lenkrad transportiert. Sicher, rücksichtsvoll und aufmerksam navigierte dieser autonom fahrende Truck durch den Autobahnverkehr zu seinem Hub-Ziel. In diesem Frachtzentrum wird die Ladung entgegengenommen und an einen von einem Menschen gefahrene Lkw-Zugmaschine angekoppelt. Dieser Verteiler-Lkw bringt in Folge die Fracht an ihren endgültigen Bestimmungsort – ein Lager, ein Lebensmittelgeschäft, ein Paketverteilzentrum. Der autonom fahrende Lkw fährt weiter, benötigt auf seinem Weg durchs ganze Land keine Pause. Die Fahrerin dieses Lkw auf der sogenannten „letzten Meile“ beendet ihre Schicht und kehrt zu ihrer Familie nach Hause zurück. Beim Abendessen sprechen sie dann über das bevorstehende Baseballspiel. Das mag nach reiner Fiktion klingen, ist aber näher an der Realität, als Sie denken.

Zurückgespult zum heutigen Tag. Gemeinsam mit unserem Partner Torc Robotics entwickeln wir das autonome Fahren für die Anwendung auf US-Highways. Torc testet bereits seit einiger Zeit autonome Freightliner Cascadia Lkw in realen Anwendungen mit unseren Frachtkunden. Diese selbstfahrenden Lkw haben heutzutage noch einen hochqualifizierten Sicherheitsfahrer sowie einen Fahrtenleiter an Bord, um die Fracht unserer Pilotkunden beispielsweise auf der US-Route von Phoenix (Arizona) nach Oklahoma City (Oklahoma) zu befördern.

Wir führen diese Pilotfahrten durch, um zahlreiche Detail zum autonomen Lkw-Betrieb in realen Anwendungsfällen zu sammeln – entscheidende Erfahrungsmomente auf dem Weg zur Kommerzialisierung. Daimler Truck und Torc Robotics streben an, bis 2027 autonome Lkw gemäß SAE-Level 4 für den Betrieb von Hub-to-Hub in den Vereinigten Staaten anzubieten. Lassen Sie mich kurz veranschaulichen, was das bedeutet. Die vierte autonome Fahrstufe bezieht sich auf autonome Fahrsysteme, die alle Fahraufgaben in einer bestimmten Situation und Umgebung – der Operational Design Domain (ODD) – ohne menschliches Eingreifen ausführen können. An dieser Stelle ein kurzer Rückblick: Nicht viele wissen, dass wir schon seit vielen Jahrzehnten an der Entwicklung des autonomen Fahrens arbeiten – angefangen mit dem Eureka Prometheus Projekt im Jahr 1986  bis hin zur Vorstellung des Freightliner Inspiration Truck im Jahr 2015. Der Inspiration Truck war das weltweit erste zugelassene autonome Nutzfahrzeug, das auf öffentlichen Straßen in den USA eingesetzt wurde. Daimler Truck und Torc haben seit 2019 deutliche Fortschritte gemacht, um autonome Lkw von der Idee in die Realität umzusetzen. Torc hat gezeigt, dass die eingesetzte Software für autonomes Fahren Autobahnen, Zubringerstraßen, Auffahrten und das Abbiegen an kontrollierten Kreuzungen sicher meistern kann. Wir haben viel erreicht, aber es liegt noch viel Test- und Entwicklungsarbeit vor uns. Der Sicherheitsgedanke definiert dabei die Zeitleiste hin zur Marktreife.

Wenn wir unsere autonome Technologie auf den Markt bringen, wird diese mit großer Wahrscheinlichkeit für unsere Transportbranche die größte Transformation mit sich bringen und zugleich enorme Chancen bieten.

Daimler Truck hat eine klare Roadmap mit dem Ziel, autonome Lkw bis 2027 auf den US-Markt zu bringen. Im konkreten Anwendungsfall zwischen zwei Frachtknotenpunkten übernimmt das autonome Fahrsystem die gesamte dynamische Fahraufgabe.

Autonomes Fahren bringt enorme Vorteile für Gesellschaft, Kunden und Stakeholder

 „Warum autonomes Fahren?“ Als Antwort auf diese, mir am häufigsten gestellte Frage, gebe ich immer eine Antwort, die mir persönlich sehr wichtig ist: „Weil wir Leben retten wollen.“ Diese Motivation trägt uns alle über die Höhen und Tiefen hinweg, die bei der Entwicklung wegweisender neuen Technologien auftreten. Denn autonome Systeme können die Zahl der tödlichen Unfälle auf Autobahnen senken. Dabei fallen Arbeitsplätze nicht zwangsläufig weg, sie verändern sich meistens eher – zum Beispiel im Logistik-Bereich. Unser Fokus zur Markteinführung liegt dabei auf dem Anwendungsfall auf US-Highways und damit auf der Übernahme der Fahraufgabe auf langen, monotonen Strecken. Der Mensch spielt weiterhin eine entscheidende Rolle in der Lieferkette – dort, wo er am wichtigsten ist. Diese Bereiche befinden sich beispielsweise auf der ersten oder letzten Meile, der Überwachung und Verwaltung der autonomen Flotte, den nach wie vor notwendigen Interaktionen mit anderen Menschen im Logistikablauf, das Treffen von Entscheidungen und die Übernahme von Aufgaben, die ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz voraussetzen.

Der Einsatz von Technologie bietet Logistikdienstleistern gleichzeitig enorme Effizienzpotenziale, da autonome Lkw nur Tankpausen benötigen und somit mehr Zeit auf der Straße verbringen können. Darüber hinaus werden sie dazu beitragen, den Fahrermangel auszugleichen, der zwar von Jahr zu Jahr schwankt, aber im Jahr 2030 bis auf 160.000 fehlende LKW-Fahrer ansteigen dürfte. Selbstfahrende Lkw werden also helfen, das stetig wachsende Frachtvolumen zu bewältigen.

Darüber hinaus sehen wir vielversprechende Markt- und Wachstumschancen für Daimler Truck und generieren wiederkehrende Umsätze durch ein Driver-as-a-Service-Abonnementmodell für unsere Flottenkunden. Dies funktioniert ähnlich wie bei den Streaming-Anbietern: Das digitale Produkt wird einmal entwickelt und dann über jeden neu verkauften autonomen Lkw hinweg hochskaliert – in unserem Fall abgerechnet in Form von autonom gefahrenen Lkw-Kilometern.

Die autonome Fahrsoftware von Torc hat bewiesen, dass sie sicher auf Autobahnen, Zubringerstraßen, Auffahrten und beim Abbiegen an kontrollierten Kreuzungen navigieren kann.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren von Autonomie: der richtige Anwendungsfall, die richtige Technologie, die richtigen Partner, Hand in Hand mit unseren Kunden

Das Potenzial des Autonomen Fahrens liegt im richtigen Anwendungsfall. Der Versuch, diese Technologie in allen Segmenten auf einmal einzusetzen, ist nicht machbar. Diejenigen, die das ausprobiert haben, haben Ihren Fokus korrigiert. Und im nächsten Schritt sich auf einen ersten konkreten Anwendungsfall konzentriert und priorisiert.

In unserem Hub-to-Hub Anwendungsfall übernimmt das autonome Fahrsystem gemäß SAE-Level 4 die gesamte dynamische Fahraufgabe zwischen zwei Frachtzentren. Das bedeutet, dass der selbstfahrende Lkw tausende von Kilometern komplett ohne menschliches Eingreifen zurückgelegt! Nur auf der benannten ersten und letzten Meile liefern Fahrer weiterhin Waren in von Fahrern gesteuerten Lkw. Diese Liefer- und Entladungsvorgänge finden an Frachtzentren entlang zentraler US-Highways in wichtigen Güterverkehrskorridoren, wie beispielsweise Texas, statt. Was ist also dieser „Hub“? Sie können sich dieses Frachtzentrum als Start- und Zielpunkt einer autonomen Frachtroute vorstellen. Zusammen bilden diese ein Verkehrsnetz, welches die autonomen Knotenpunkte miteinander verbindet. Wir gehen davon aus, dass dieses Netz schrittweise aufgebaut wird, beginnend im Südwesten der USA. Darauf folgt eine sukzessive Expansion, welche letzten Endes zu einem breiten Einsatz autonomer Lkw-Routen in den gesamten USA führen wird.

Wir glauben, dass im Hub-to-Hub-Anwendungsfall der attraktivste und am wenigsten komplexe Anwendungsfall mit der richtigen technischen Lösung kombiniert wird.

Hinsichtlich des Einsatzes von Technologie und Partnerschaften ist Daimler Truck dabei als weltweit größter Lkw-Hersteller perfekt aufgestellt, um eine ganzheitliche Lösungsplattform rund um das Autonomen Fahren anzubieten.

Dieser Baukasten besteht zum einen aus unserer „redundanten Fahrzeugplattform“, dem „Autonomous-Ready“ Freightliner Cascadia, sowie der autonomen Fahrsoftware, dem „Virtual Driver“ von Torc. Hinzu kommt eine physische und digitale Infrastruktur, die aus den beschriebenen Hubs besteht und den autonomen Lkw-Betrieb ermöglicht. Schließlich werden weitere Dienstleistungen wie Reparatur und Wartung sowie Unterstützung rund um den autonomen Lkw-Betrieb benötigt.

Dies ist sicherlich ein großes, aber erreichbares Vorhaben. Ich bin der festen Überzeugung, dass es nicht ein Unternehmen alleine schaffen kann. Daher ist der Aufbau von passenden strategischen und langfristigen Partnerschaften entscheidend für unseren Erfolg. Unsere Rolle und Verantwortung als Daimler Truck besteht darin, diese Partnerschaften zu ermöglichen, zu koordinieren und sie voranzubringen.

Schauen wir uns dabei einmal die Technik genauer an: Für einen sicheren autonomen Betrieb der Stufe 4 benötigt es redundante, also mehrfach ausgelegte Fahrzeugsysteme. Stellen Sie sich vor, die Lenksysteme fallen aus und es gibt keinen Menschen, der an dieser Stelle eingreifen kann. Sie benötigen also ein elektronisches Backup, eine Mehrfachauslegung.  Ähnlich wie bei Flugzeugen haben wir diese Redundanz für sicherheitskritische Systeme wie Lenkung und Bremsen gezielt konzipiert und aufgebaut. Dabei haben wir 1.500 technische Anforderungen umgesetzt und in unseren Freightliner Cascadia integriert, die in allen Bereichen Anwendung finden – beispielweise einen zweiten Satz elektronisch gesteuerter Systeme für die Lenkung, die Bremsen und das Stromnetz. Unser „Autonomous-Ready Cascadia“ setzt bei der Integration autonomer Systeme den Industriestandard . Bislang sind wir die Ersten in der Branche, die eine skalierbare, antriebsstrangunabhängige redundante autonome Fahrzeugplattform anbieten. Wir nennen diesen Ansatz „autonomous-ready“, denn dies ist der Ausgangspunkt und die Grundlage für jedes Level-4-Fahrsystem.

Mit 1.500 integrierten technischen Funktionen und einem zweiten Satz kritischer Systeme für die Lenkung, die Bremse, speziellen IT-Sicherheitssystem und vielem mehr setzt der autonome Cascadia den Industriestandard für die Integration autonomer Fahrsysteme.

Das führt mich zur zweiten wichtigen technischen Komponente von Autonomie: das autonome Fahrsystem (Autonomous Driving System, ADS).

Einfach ausgedrückt ist dies die Software, die sieht (die Umgebung nah und fern erkennt), denkt (nächstes Manöver plant) und handelt (Fahrmanöver durchführt wie Spurwechsel, Zusammenführungen zweier Spuren etc.). Diese Programmierung muss mindestens so gut oder besser als ein menschlicher Fahrer sein.

Torc nutzt mehrere Disziplinen künstlicher Intelligenz, um die Umgebung zu erfassen und autonome Fahrentscheidungen zu treffen. Wenn es beispielsweise um die Objekterkennung geht, hilft die KI dabei, Objekte unter schwierigen Bedingungen wie schwachem Licht, Nebel oder schlechtem Wetter zu erkennen und zu klassifizieren.

Während Torc den Virtual Driver entwickelt, integriert Daimler Truck North America diesen in unseren Lkw. Dieser autonome Truck wird dann sowohl in der Simulation als auch in der realen Welt einem strengen Test- und Validierungsprozess unterzogen, um die Sicherheit und Leistung aller Systeme vor der Markteinführung im Jahr 2027 sicherzustellen.

Als weiterer Baustein ist das Verständnis der aktuellen und zukünftigen Kundenbedürfnisse der Schlüssel zu einer erfolgreichen Markteinführung. Wir möchten es unseren Kunden ermöglichen, die Vorteile des autonomen Fahrens in Bezug auf Kosten, Zugänglichkeit und einfacher Bereitstellung, Wartung und Flexibilität voll auszuschöpfen. Es ist dabei von entscheidender Bedeutung, dass autonome Lösungen von Anfang an gemeinsam mit dem Kunden entwickelt werden.

Der nächste Schritt bei der Markteinführung autonomer Lkw besteht darin, herauszufinden, wie wir unsere Kunden dabei unterstützen können, Fracht effizient zu transportieren. Wir arbeiten heute schon mit ersten Unternehmen aus der Logistikindustrie zusammen, beispielsweise über gemeinsame Pilotprojekte mit Schneider Inc. und C.R. England. Diese ermöglichen umfassende Einblicke in die verschiedenen der Dimensionen der Transportbranche.

Seit 2022 arbeitet Torc mit dem US-Unternehmen Schneider zusammen. Das Transportunternehmen stellt zum einen die Frachtladungen für den Pilotbetrieb von Torc zur Verfügung. Zudem bietet die Zusammenarbeit Einblicke in den Lkw-Frachtbetrieb. Dies unterstützt auf dem Weg zur Kommerzialisierung der sogenannten autonom gefahrenen mittleren Meile in der Logistik, dem Transport von Waren zwischen Frachtzentren.

Wir sind der Meinung, dass Daimler Truck ein sehr einzigartiges, hochentwickeltes Produkt [im Bereich des Autonomen Fahrens] anbietet, das unsere Bedürfnisse aus Betriebskostensicht sehr gut erfüllen kann.

Ron Hall, Vice President of Equipment and Fuel, C.R. England

Von der Fiktion zur Realität

Ich bin fest davon überzeugt, dass autonome Lkw den Alltag verbessern werden. Diese Technologie ist keine Idee mehr, keine reine Fiktion. Sie wird in diesem Jahrzehnt Realität werden. Und sie hat das Potenzial, die Transportbranche zu transformieren. Ich freue mich enorm, dass mein Team und unsere Partner hier wegweisend sind. All das tun wir in der richtigen Geschwindigkeit, aus den richtigen Beweggründen und vor allem mit einem fest verankerten, allgegenwärtigen Sicherheitsgedanken als unser Leitkonzept. Und wir legen dabei gerade erst los – Sie dürfen also gespannt sein. Weiteres wird folgen.

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Über die Autorin

Über die Autorin

Joanna Buttler leitet bei Daimler Truck die Global Autonomous Technology Group. In dieser Funktion verantwortet sie für das Unternehmen die globale Technologiestrategie beim autonomen Fahren, die Fahrzeugprogramme, die weltweiten Markteinführungen und sämtliche Partnerschaften. Sie managt dabei alle Aspekte der strategischen Partnerschaften mit Waymo sowie mit Torc Robotics, einer unabhängigen Tochtergesellschaft von Daimler Truck. Beide Partner konzentrieren sich auf die Entwicklung autonomer Fahrsoftware nach SAE Level 4. Zudem verantwortet Joanna Buttler alle globalen Aktivitäten des autonomen Fahrens, u.a. Entwicklung, Produktstrategie, Partnerschaften und Übernahmen.

Erfahren Sie unter Warum autonomes Fahren | Daimler Truck und News & Stories - Autonomes Fahren | Daimler Truck mehr über unseren Weg hin zum autonomen Transport der Zukunft.

Spannende Einblicke rund um das Autonome Fahren bei Daimler Truck liefert zudem dieser Videobeitrag von FAZ-Redakteur Holger Appel.