Daimler Truck

Fakten statt Mythen: Warum die Welt Wasserstoff braucht

23.02.2023 | CEO News

In einem Gastbeitrag für die Publikation des US-amerikanischen Think Tanks Stern Stewart räumt Martin Daum mit Mythen rund um den Energieträger Wasserstoff auf und erklärt, warum das chemische Element eine wesentliche Voraussetzung für unsere klimaneutrale Zukunft ist. 

Das Argument für Wasserstoff: Warum die Kritiker so falsch liegen

Das Ziel ist klar: Die europäische Wirtschaft soll bis 2050 CO2-neutral werden. Der Weg dorthin ist allerdings noch immer unklar. Ein entscheidendes und umstrittenes Thema dabei ist: Wasserstoff. Dieser Artikel nimmt häufig verwendete Argumente gegen Wasserstoff unter die Lupe und entlarvt sie als bloße Mythen. Denn die Fakten sprechen eindeutig für Wasserstoff: Er ist der Schlüssel für einen nachhaltigen Transport. Deshalb verfolgen wir bei Daimler Truck eine Doppelstrategie, die nicht nur auf Batterien, sondern auch auf Brennstoffzellen setzt.

Mythos #1: Wasserstoff ist der Champagner der Energiewende.

Fakt: Wasserstoff ist wie Wasser - absolut notwendig.

Heute deckt die Welt einen großen Teil ihres Energiebedarfs aus fossilen Brennstoffen. Und die Regionen, in denen Öl, Gas und Kohle hauptsächlich gefördert werden, sind oft viele tausend Kilometer von Nordamerika, Europa oder asiatischen Ländern wie China und Japan entfernt, wo sie hauptsächlich verbraucht werden. Europa zum Beispiel ist ein Energie-Nettoimporteur.

In Zukunft wird die Welt ihren Energiebedarf zunehmend durch erneuerbare Energien decken, vor allem durch Solarenergie. Das ändert sich also. Aber eines bleibt unverändert: Auch zukünftig werden Herkunft und Verbrauch von Energie oft weit voneinander entfernt liegen. Solarenergie wird am besten in sonnenreichen Regionen wie Nordafrika, dem Nahen Osten und Australien geerntet. Sie wird aber weiterhin vor allem in den Regionen genutzt werden, die schon heute den größten Teil des Energieverbrauchs abdecken.

Das bedeutet, dass Europa auch im Zeitalter der erneuerbaren Energien ein Energieimporteur bleiben wird. Und vor allem: Erneuerbare Energien werden auch international gehandelt und transportiert werden.

Die Frage ist nun: Wie kann dieser Handel und Transport möglich werden? Die Antwort lautet: Nicht über Stromleitungen und Elektronen, sondern nur über einen molekülgebundenen, kohlenstofffreien Energieträger - nämlich Wasserstoff.

Wasserstoff wird daher für einen nachhaltigen, internationalen Energiemarkt dringend benötigt. Dass Wasserstoff der Champagner der Energiewende und damit ein unnötiger Luxus sei - eine Behauptung, die Kritiker gerne verbreiten - entpuppt sich daher als Mythos. Wasserstoff ist vielmehr wie Wasser: absolut notwendig, um ein Zeitalter der erneuerbaren Energien zu ermöglichen.

Mythos #2: Wasserstoff ist energieineffizient.

Fakt: Wasserstoff ist (Sun-to-Wheel)-effizient.

Es wird behauptet, Wasserstoff sei zu energieineffizient - insbesondere im Vergleich zu Batterien. Wenn eine wasserstoffbasierte Brennstoffzelle einen Lkw antreibt, so das Argument, wird ein viel geringerer Teil der ursprünglich eingesetzten Sonnenenergie für den Antrieb verwendet als bei einer Batterie. Das Verhältnis beträgt etwa 30 Prozent gegenüber 70 Prozent. Der so genannte „Well-to-Wheel“-Wirkungsgrad von Brennstoffzellen ist daher um den Faktor zwei bis zweieinhalb niedriger als der von Batterien. Der Grund dafür ist, dass ein erheblicher Teil der nutzbaren Energie verloren geht, wenn der Wasserstoff im Elektrolyseur erzeugt und später in der Brennstoffzelle in Strom umgewandelt wird.

Dieses Verhältnis scheint eine klare Sprache zu sprechen - für Batterien und gegen Wasserstoff. Doch so einfach ist es nicht. Denn wir müssen Folgendes bedenken: Die Solarenergie, die zum Aufladen eines Batterie-Lkws in Europa verwendet wird, muss auch in Europa geerntet werden. Die Solarenergie, die zur Erzeugung von Wasserstoff für einen Brennstoffzellen-Lkw genutzt wird, kann dagegen in viel sonnigeren Regionen geerntet werden. Dort liefert jeder Quadratmeter Solarpanel zwei- bis zweieinhalbmal so viel Strom wie in Europa.

Kombiniert man nun beide Fakten - die geringere Energieeffizienz von Brennstoffzellen und die höhere Effizienz bei der Gewinnung von Solarstrom - kommt man zu folgendem Ergebnis: Mit einer Solaranlage im sonnigen Süden kann ein Brennstoffzellen-Lkw die gleiche Strecke zurücklegen wie ein Batterie-Lkw, für den die Energie mit einer gleich großen Solaranlage in Europa erzeugt wird. Experten sprechen daher von einem ausgeglichenen „Sun-to-Wheel“-Wirkungsgrad für Brennstoffzellen und Batterien.

Außerdem ist die Energieeffizienz kein entscheidendes Kriterium. Das wäre nur dann der Fall, wenn die erneuerbaren Energien knapp wären. Das sind sie aber nicht. Jeden Tag trifft 15 Mal so viel Energie auf die Landoberfläche der Erde, wie wir derzeit weltweit in einem ganzen Jahr verbrauchen. Es ist also reichlich Energie vorhanden. Wir müssen sie nur einfangen und an der richtigen Stelle verfügbar machen.

Mythos #3: Wasserstoff ist zu teuer.

Fakt: Billiger Solarstrom macht Wasserstoff wettbewerbsfähig.

Kritiker weisen gerne darauf hin, dass Wasserstoff derzeit mehr als zehn Euro pro Kilogramm kostet und damit nicht wettbewerbsfähig ist. Und auf den ersten Blick haben sie auch recht.

Ein hoher Preis heute bedeutet jedoch nicht, dass der Preis auch morgen noch hoch sein wird - aus zwei Gründen. Erstens haben die Elektrolyseure noch eine sehr geringe Kapazität, weshalb wir noch keine Skaleneffekte sehen.

Und zweitens ist die in Elektrolyseuren verwendete Energie in Europa sehr teuer. Ganz anders sieht die Rechnung aus, wenn - siehe Mythos #2 - die Solarenergie in sonnigen Regionen geerntet wird. Dort ist die Solarenergie um den Faktor zwei bis zweieinhalb billiger - und da die in Elektrolyseuren eingesetzte Energie mit etwa zwei Dritteln der größte Kostenblock ist, macht das Wasserstoff sofort wettbewerbsfähig.

Mythos #4: Wasserstoffinfrastruktur ist zu teuer.

Fakt: Zwei Infrastrukturen sind billiger als eine.

Ein Stromnetz ist bereits vorhanden, so dass es relativ geringer Investitionen bedarf, um die ersten batteriebetriebenen Pkw und Lkw damit aufzuladen.

Anders verhält es sich mit Wasserstoff. Es gibt noch fast keine Infrastruktur, und deshalb sind erhebliche Anfangsinvestitionen erforderlich, um eine erste Versorgung aufzubauen.

Daraus zu schließen, dass die Kosten für eine Wasserstoffinfrastruktur zu hoch sind und Wasserstoff deshalb nicht in Frage kommt, wäre jedoch grundlegend falsch.

Denn nach dieser ersten Phase mit einer anfänglich geringen Anzahl von emissionsfreien Fahrzeugen kommt die entscheidende nächste Phase: der Hochlauf mit einer schnell steigenden Anzahl von Fahrzeugen.

Wenn wir dann weiterhin ausschließlich auf Batterien setzen, wird es sehr teuer, das Stromnetz immer weiter auszubauen. Nur ein Beispiel: Wenn batterieelektrische Lastwagen in großem Umfang auf die Straße kommen, werden für eine Autobahnraststätte im Durchschnitt 20 bis 50 Ladeplätze benötigt. Jede davon sollte mit einem Megawatt-Ladesystem ausgestattet sein – das entspricht dem Energiebedarf einer Stadt mit 15.000 Einwohnern.

Das Beratungsunternehmen McKinsey hat in einer Studie untersucht, wie sich die Infrastrukturkosten entwickeln würden, wenn emissionsfreie Fahrzeuge a) ausschließlich mit Batterien oder b) ausschließlich mit wasserstoffbasierten Brennstoffzellen betrieben würden. Oder wenn c) beide Technologien eingesetzt werden. Das Ergebnis war eindeutig: c) ist das vorteilhafteste Szenario. Der Aufbau von zwei Infrastrukturen ist billiger als eine.

Intuitiv hätte man ein anderes Ergebnis erwarten können. Aber: Die Skalierung der Infrastruktur für eine Technologie auf ein extremes Volumen ist teurer als die Skalierung zweier Infrastrukturen auf ein mittleres Volumen. 

Mythos #5: Wasserstoff ist nur ein Hobby der Großindustrie.

Fakt: Wir investieren in großem Stil.

Bei Daimler Truck haben wir uns verpflichtet, in einem hohen Maße in die Wasserstofftechnologie zu investieren. Bis 2026 wird unser Joint Venture mit der Volvo Group, cellcentric, eine der größten Produktionsstätten für Brennstoffzellen in Europa in Betrieb nehmen.

Darüber hinaus wird unser Mercedes-Benz GenH2 Truck in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts auf die Straße kommen. Er wird bereits heute auf Herz und Nieren getestet. All dies zeigt deutlich: Wir nehmen das Thema Wasserstoff sehr ernst und machen es zu einem integralen Bestandteil des nachhaltigen Verkehrs.

Hier geht es zum Gastbeitrag im Magazin Periodical (nur in englischer Sprache verfügbar):

The Case for Hydrogen: Why Critics Get it Very Wrong