Werden wir konkret und schauen uns die Fakten an: Etwa ein Sechstel (17 %) des weltweiten CO2-Ausstoßes hat seinen Ursprung im Straßenverkehr. Mehr als die Hälfte davon kommt von Nutzfahrzeugen, größtenteils von Langstrecken-Lkw, die oft auch über Landesgrenzen hinweg im Einsatz sind. Lkw und Busse haben also einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Klimawandel.
Fakt ist aber auch, und das wird bisweilen vergessen: Lkw und Busse sind nicht zum Vergnügen unterwegs. Sie sind unterwegs, um Waren und Güter zu Supermärkten, Baustellen oder Krankenhäusern zu bringen – und Menschen zur Arbeit, zur Schule oder in den Urlaub. Sie bilden das Rückgrat von Wirtschaft und Gesellschaft. Mit unseren Lkw und Bussen halten unsere Kunden die Welt in Bewegung. Wir sind bei Daimler Truck deshalb sehr stolz darauf, dass wir Nutzfahrzeuge anbieten – Fahrzeuge, die für die Allgemeinheit einen so großen Nutzen haben.
Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen. Erstens: Lkw und Busse sind absolut unverzichtbar – und zwar nicht nur heute, sondern auch morgen. Und zweitens: Morgen müssen – und werden – Lkw und Busse nachhaltig sein. Und daran arbeiten wir, als Daimler Truck und auch als Branche insgesamt. Wir wollen unseren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten und – um im Bild zu bleiben – die Klimawende ermöglichen. Denn klar ist: Wenn wir hier zu spät dran sind, geht es uns wie einem Schwimmer, der den Wendepunkt verpasst – wir knallen gegen die Wand.
Das Einmaleins der Transformation
Einen solchen Klimaknall will niemand. Wenden wir uns deshalb den Dingen zu, die es braucht, um den nachhaltigen Transport zu einem Massenmarkt zu machen. Zur besseren Veranschaulichung vergleiche ich diese Aufgabe gerne mit einer Multiplikation mit drei Faktoren: Fahrzeuge, Infrastruktur, Kostenparität. Das sind die Erfolgsfaktoren des nachhaltigen Transports. Die Kunden müssen in der Lage sein, die richtigen emissionsfreien Lkw und Busse zu kaufen. Sie müssen diese Fahrzeuge problemlos mit der für den Betrieb benötigten Energie versorgen können. Und sie müssen damit weiterhin Geld verdienen können. Deshalb sind diese drei Faktoren auch nicht wie bei einer Addition miteinander verbunden, sondern wie bei einer Multiplikation. Wenn auch nur ein Faktor null ist, ist das gesamte Ergebnis null.
Never change a running system!
Es lohnt also eine nähere Betrachtung der einzelnen Parameter (Produkt, Infrastruktur, Kosten) und wir beginnen mit den Fahrzeugen. Hier sind wir voller Eifer dabei, mehr und mehr emissionsfreie Modelle in Serie zu bringen (aktuell zehn) – aber vorab noch ein Wort zum Dieselmotor, der in der Transformation etwas aus dem Scheinwerferlicht gerät. Entwicklergeist, Industrialisierung, Wirtschaftswunder, Made-in-Germany – über 125 Jahre war er zuverlässiger Antrieb unserer Lkw und Busse, ja unseres Lebens. Der Dieselmotor ist nahezu perfektioniert, die Grenzen von Effizienz gelten physikalisch und chemisch im Prinzip als erreicht. Es geht nicht viel besser. Ähnlich einer Coca-Cola ist er vollkommen in seiner Produktkategorie, und doch hat er Nebenwirkungen, die seine Abschaffung rechtfertigen. Mit der Antriebswende kommt für ihn aus guten Gründen deshalb nun das Ende. Zuerst in Europa, irgendwann weltweit.
Wir handeln also bewusst entgegen dem Management-Motto »Never change a running system«. Wir streichen das »never« und sagen: Change a running system! Mit Ausrufezeichen. Das ist die Herausforderung. Wir wollen und wir werden ein gut funktionierendes System grundlegend verändern, und zwar im laufenden Betrieb.
Den Dieselmotor weiterzuentwickeln, ist demzufolge nur noch mit Augenmaß sinnvoll. Nicht sinnvoll sind daher die Pläne der EU, eine neue, noch strengere Euro VII-Emissionsnorm einzuführen. Das würde uns Fahrzeughersteller zwingen, wieder mehr in den Diesel zu investieren – und das fehlt dann in den Budgets für CO2-neutrale Antriebe. Mein dringender Appell an dieser Stelle: Bei Euro VII braucht es eine entschlossene Wende, ja, eine vollständige Kehrtwende. Unser Fokus muss auf CO2-freien Antrieben liegen und nicht auf der marginalen Verbesserung von Systemen, die spätestens in 15 Jahren auslaufen.
Yin und Yang der Antriebstechnologie
Um unsere Lkw und Busse emissionsfrei zu machen, verfolgen wir bei Daimler Truck eine Doppelstrategie aus Batterie und Wasserstoff. Manche mögen sich jetzt fragen: Warum zwei Technologien, ist die Entwicklung von einer nicht schon aufwändig genug? Darauf habe ich eine ausführliche, zweiteilige Antwort.
Teil eins ist die Kundenperspektive – und die ist für uns als Hersteller essenziell, denn wir entwickeln keine Technologie der Technologie wegen. Technologie ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, unseren Kunden für ihre unterschiedlichen Bedürfnisse die jeweils beste Lösung zu bieten.
Denkbar ist, dass sich beim emissionsfreien Transport aus Kundensicht im Laufe der Zeit folgende technologische Arbeitsteilung ergibt:
In Städten sind batterieelektrische Lkw und Busse ideal. Warum? Hier legen die Fahrzeuge vergleichsweise kurze Strecken zurück und können in Betriebshöfen recht unkompliziert geladen werden. Für den urbanen Raum haben wir bei Daimler Truck schon eine ganze Reihe von Serienfahrzeugen im Angebot – nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in Asien. Unser leichter Lkw FUSO eCanter und unser Stadtbus Mercedes-Benz eCitaro sind sogar schon seit 2017 bzw. 2018 auf dem Markt. Inzwischen sind beide Modelle schon in der dritten Generation bei unseren Kunden. Wir haben beim Batterieantrieb also schon viel gelernt – und wir können dieses Wissen sofort auch bei unseren anderen Produkten einsetzen.
Lkw und Busse für die Langstrecke werden Batterien oder Brennstoffzellen nutzen – je nachdem, was für unsere Kunden jeweils am wirtschaftlichsten ist und wofür die Infrastruktur am schnellsten entsteht. Einen batteriebetriebenen Serien-Lkw für die Langstrecke planen wir für 2024, einen mit Brennstoffzellen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. Bei Brennstoffzellen reden wir dann von rund 1.000 Kilometern Reichweite, etwa das Doppelte der Batterie. Dadurch wird das Fahrzeug nochmal deutlich flexibler und unabhängiger.
Daneben gewinnt eine weitere Antriebstechnologie immer mehr Beachtung: der Wasserstroffverbrennungsmotor. Einfach gesagt, funktioniert er sehr ähnlich wie ein Dieselmotor (etwa 80 % des Antriebssystems sind identisch), nur verbrennt er keinen Diesel, sondern eben Wasserstoff. Der große Unterschied ist deshalb, dass beim Wasserstoffverbrenner kein CO2 entsteht. Ideales Anwendungsgebiet sind Lkw mit Aufbauten wie beispielsweise 8x4-Muldenkipper, die für diese Aufbauten deutlich mehr Energie benötigen als für den Fahrbetrieb. Aufgrund seiner engen Verwandtschaft zum Dieselmotor ist der Wasserstoffverbrenner nahezu fertig entwickelt. Wir sind also gut vorbereitet. Wenn diese Technologie politisch aus guten Gründen unterstützt wird, denn sie ist eine sehr gute CO2-freie Alternative, dann können wir schnell handeln und unseren Kunden entsprechende Fahrzeuge anbieten.
Ohne Wasserstoff geht es nicht
Für Teil zwei meiner Antwort zu unserer dualen Technologiestrategie brauchen wir eine andere Flughöhe. Blicken wir auf Europa und den Energiebedarf des Kontinents. Hier haben wir eine Aufgabe herkulischen Ausmaßes vor uns, denn damit Europa nachhaltig wird, muss die aus fossilen Rohstoffen produzierte Energie komplett durch grüne Energie ersetzt werden. Dabei geht es um so enorme Mengen, dass wir sie auf unserem von Sonneneinstrahlung nicht gerade gesegneten Kontinent nicht erzeugen können. Das bedeutet: Europa wird Energie importieren müssen. Und das ist weder neu noch schlimm. Auch in der Vergangenheit haben wir Energie importiert. In Zukunft wird es eben grüne Energie sein müssen – und die steht weltweit in mehr als ausreichender Menge zur Verfügung: Jeden Tag trifft 15-mal so viel Sonnenenergie auf die Landmasse der Erde, wie wir weltweit in einem ganzen Jahr verbrauchen. Wir müssen sie nur einfangen und dorthin transportieren, wo sie benötigt wird. Zum Beispiel nach Europa. Dazu braucht es allerdings einen grünen, kohlenstofffreien Energieträger, der weltweit gehandelt werden kann – und schon sind wir beim Wasserstoff. Die klare Botschaft deshalb an dieser Stelle: Eine nachhaltige Wirtschaft der Zukunft erfordert eine Wasserstoffwirtschaft.
Auch beim Antrieb von Lkw und Bussen wird Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Das wird anhand einiger Fakten schnell deutlich: Würden emissionsfreie Lkw in Zukunft ausschließlich mit Batterien betrieben, so müsste jede Autobahnraststätte über eine Größenordnung von 20 bis 50 Ladestationen verfügen. Und jede Ladestation müsste für Megawattladen ausgerüstet sein. Das heißt: Jede Raststätte hätte den Energiebedarf einer Kleinstadt. Eine solche Ladeinfrastruktur gibt es nur im Konjunktiv. Eine öffentliche Ladekapazität in dieser Größenordnung flächendeckend bereitzustellen ist schlicht nicht realistisch. Das würde den Stromnetzausbau hoffnungslos überfordern. Schon allein um eine funktionierende Energieverteilung zu gewährleisten, brauchen wir für Lkw – parallel zur Batterie – in Zukunft also auch Wasserstoff.
Wir können damit festhalten: Batterie und Wasserstoff stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich perfekt.
Grüner Transport braucht grüne Energie
Damit ist es Zeit, uns dem zweiten Erfolgsfaktor für den nachhaltigen Transport anzunehmen – der Infrastruktur. Denn wie wir es auch drehen und wenden: Grüner Transport ist ohne grüne Energie undenkbar. Man könnte auch sagen: keine Transportwende ohne Energiewende. Grüne Energie muss in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, zu bezahlbaren Preisen – und vor allem auch rechtzeitig. Wenn wir hier zu langsam sind, müssen wir die Batterien von elektrischen Lkw mit Kohlestrom laden. Oder Wasserstoff aus fossilen Energien herstellen. Dann hätten wir als Gesellschaft nichts gewonnen, sondern könnten gleich beim Diesel-Lkw bleiben, das wäre für das Klima sogar besser. Wir müssen die grünen Energien deshalb nun zügig und entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausbauen, von der Erzeugung bis zur Verteilung.
Zu der Frage, wie sich der Infrastrukturaufbau beschleunigen lässt, sind wir als Daimler Truck mit Politik und Regulierern in intensivem Austausch. Wir beraten hier sehr bereitwillig und sehr konstruktiv. Was wir – in Anlehnung an den Inflation Reduction Act in den USA – hier in Europa beispielsweise dringend brauchen, ist ein Bureaucracy Reduction Act. In anderen Worten: Wir brauchen eine Bürokratiewende. Bei Infrastrukturprojekten müssen wir sämtliche Abläufe und Verfahren deutlich vereinfachen und beschleunigen, und zwar auf allen Ebenen. Wir arbeiten als Daimler Truck beständig an unseren Prozessen, um unsere Transformationsgeschwindigkeit hochzuhalten – und das ist auch seitens Behörden und Regulierern notwendig.
Willkommen beim dritten Erfolgsfaktor: der Kostenparität. Ein Lkw ist ein gänzlich anderes Produkt als ein Pkw, denn während vor manchen Privathäusern mehr Pkw stehen als Personen darin wohnen, kauft niemand einen zusätzlichen Lkw nur zum Vergnügen. Lkw sind keine Luxusgüter, sondern Investitionsgüter. Unsere Kunden entscheiden völlig rational. Sie kaufen unsere Fahrzeuge, weil sie sie brauchen – und mit ihnen ein erfolgreiches Geschäft betreiben wollen. Das ist nur möglich, wenn die Kosten stimmen. Solange die Gesamtkosten für den Betrieb eines Dieseltrucks geringer sind als die eines E-Trucks, wird ein Spediteur beim Diesel bleiben. Er kann gar nicht anders. Sonst gerät er im Wettbewerb ins Hintertreffen und seine Geschäftsentwicklung wendet sich in eine Richtung, die er nicht verantworten kann.
Daimler Truck und andere Hersteller arbeiten sehr konzentriert daran, die Kosten für emissionsfreie Fahrzeuge zu senken. Aber eines muss allen Beteiligten klar sein: Allein dadurch lässt sich eine Kostenparität mit konventionellen Fahrzeugen nicht erreichen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Diesel schon jetzt hoch besteuert ist. Im Vergleich zu emissionsfreien Fahrzeugen ist der Betrieb von Dieselfahrzeugen trotzdem deutlich günstiger. Eine Kostenparität kann deshalb nur die Politik herstellen. CO2 muss so bepreist sein, dass über die Laufzeit der Fahrzeuge die Gesamtkosten von Diesel-Lkw höher sind als die von emissionsfreien Lkw. Ein gutes Beispiel für eine Maßnahme in die richtige Richtung ist die CO2-basierte Maut, die Deutschland zum 1. Dezember dieses Jahres eingeführt hat und die wir als Daimler Truck sehr befürworten.
Die Sache mit den Kosten hat eine so unpopuläre wie unvermeidliche Konsequenz: Der nachhaltige Transport der Zukunft wird teurer sein als der heutige, konventionelle Transport. Darauf müssen wir uns als Gesellschaft einstellen, das lässt sich nicht abwenden.
Fassen wir zusammen. Wir als Daimler Truck sind entschlossen, die Wende zum nachhaltigen Transport anzuführen. Deshalb haben wir schon vor Jahren erste batteriebetriebene Fahrzeuge auf den Markt gebracht. Und deshalb bauen wir unser emissionsfreies Produktportfolio Truck für Truck und Bus für Bus immer weiter aus.
Uns ist aber sehr wohl bewusst: Wir können die Transportwende zwar anführen, aber wir können sie nicht allein herbeiführen. Wir haben als Hersteller nicht alles selbst in der Hand, um emissionsfreie Lkw und Busse zu einem Markterfolg zu machen. Solange die anderen beiden Erfolgsfaktoren – Infrastruktur und Kostenparität – nur ansatzweise vorhanden sind, werden wir emissionsfreie Lkw und Busse nur vereinzelt auf den Straßen sehen.
In der Dreierformel steckt aber auch eine gute Nachricht: Wir wissen genau, was es für den Erfolg des nachhaltigen Transports braucht. Und ich bin sicher, dass Energieunternehmen zunehmend die Chancen nutzen werden, die mit dem Aufbau einer Infrastruktur für sie verbunden sind. Und dass die Politik zunehmend bereit ist, die Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um die gesetzten CO2-Reduktionsziele zu erreichen. Wenn diese beiden Faktoren dann ebenfalls gegeben sind, gibt es für Transportunternehmen keinen Grund mehr, Diesel zu fahren – und jeden Grund, auf emissionsfrei umzusteigen. Dann wird sich das Straßenbild schnell ändern.
Als Daimler Truck werden wir nicht müde, genau dafür zu werben. Mit leistungsfähigen, emissionsfreien Produkten. In vielerlei Gesprächen und Diskussionen. Und auch mit Beiträgen wie diesem. Kurzum: Bei der Gestaltung des nachhaltigen Transports für eine intakte Welt haben wir sehr viel von dem, was ebenfalls im Begriff Antriebswende steckt – wir haben hier einen sehr starken Antrieb.